Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
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Klebfugeninduzierter Schneidstoffverschleiß bei der spanenden Bearbeitung von geklebten Lagenwerkstoffen (AdhWear)


Ausgangssituation

Flächig verklebte Holzwerkstoffe lassen sich leicht mit allen konventionellen spanenden Werkzeugen bearbeiten. Allerdings führen die spezifischen Eigenschaften der eingesetzten Substrate (Holz, Beschichtungsstoff) sowie der Klebstoffsysteme zu ungleichmäßigem Verschleiß der Schneidstoffe. Dabei verursacht die Klebstofffuge schon nach kurzem Vorschubweg einen deutlich höheren, lokalen Verschleiß an den Werkzeugschneiden und sorgt somit für mehr Material- bzw. Fertigungskosten als die reine Massivholzbearbeitung (z.B. höhere Kosten bei der Oberflächenbearbeitung durch Ausbildung einer Wulst im Bereich der Klebefuge, siehe Abbildung 1). Verschiedene zusätzliche Arbeitsschritte sowie eine im Einzelfall optimierte Schneidstoffauswahl (in einem aufwändigen Ausschlussverfahren) werden aktuell zur Lösung der Herausforderungen eingesetzt. Insbesondere bei variierenden Fugenpositionen und profilierten Fräsungen können diese nicht eingesetzt werden. Daher sind für die spanende Bearbeitung dieser Verbunde neue Konzepte zur Auswahl des optimalen Klebstoffs nötig. Nur wenn die Einflussparameter der Klebefuge (Klebstoffart, Füllstoffart und –gehalt, Breite, Alter) auf den Schneidenverschleiß sowie deren Wechselwirkungen richtig identifiziert und bewertet werden, ist es möglich, den Klebstoff für die jeweilige Anwendung zu optimieren.


SchneidenausbruchAbbildung 1: Streifenbildung durch partiellen Schneidstoffverschleiß

Verschleiß Klebfuge Abbildung 2: Beispiel für lokal erhöhten, klebfugeninduzierten Schneidstoffverschleiß


Zielsetzung

Ziel des Forschungsprojektes ist es, klebstoffspezifische verschleißverursachende Faktoren bei der spanenden Bearbeitung hölzerner Lagenwerkstoffe zu identifizieren und zu charakterisieren. Aufbauend auf dieser Analyse der Wirkzusammenhänge von Füllstoffen und Schneidenverschleiß und einer darauf aufbauenden Änderung der notwendigen Füllstoffe soll eine Reduzierung des durch Klebstoff lokal erhöhten Schneidenverschleißes ermöglicht werden. Daraus soll die Entwicklung entsprechend angepasster Klebstoffsysteme abgeleitet bzw. Vorschläge für verschleißmindernde Zuschlagstoffe gegeben werden. Eine in diesem Rahmen abgeleitete Kennzahl für die klebstoffspezifische Verschleißwirkung soll auch für eine bessere Klebstoffauswahl des individuellen Prozesses dienen und Produktionskosten relevant reduzieren.

Eine Reduzierung des klebstoffinduzierten Schneidstoffverschleißes senkt die Kosten der Fertigung aller beteiligten Unternehmen (zum größten Teil KMU), da z.B. das Längs- und Formatfräsen (Vierkantprofile) als grundsätzlicher Bearbeitungsschritt vor der restlichen Fertigung durchgeführt wird. Nach Aussage der Industrie sind die Kosten daraus als sehr hoch zu bewerten. Im Vergleich zu verklebten Hölzern kann beim Bearbeiten/Fräsen unverklebter Materialien erfahrungsgemäß ein drei- bis fünffacher Standweg erwartet werden.


Ergebnisse

Im Rahmen des Vorhabens erfolgte erstmalig eine systematische vergleichende Quantifizierung der Verschleißwirkung verschiedener Vertreter der relevanten Klebstoffklassen Emulsion-Polymer-Isocyanat-Klebstoff (EPI), Melamin-Harnstoff-Formaldehyd-Klebstoff (MUF), Polyurethan-Klebstoff (PU) und Polyvinylacetat-Klebstoff (PVAc) in variablen Modifikationen (Füllstoffe/Härter) im Zusammenspiel mit verschiedenen Schneidstoffen und Beschichtungen unter definierten Bedingungen.

Als relevante Einflussfaktoren auf den Verschleiß sind die jeweiligen Klebstoffgrundpolymere, Art und Gehalt an Füllstoffen sowie teilweise auch Art und Gehalt von Härtern anzusehen. Eine pauschale Klassifizierung der Verschleißwirkung nach Klebstoffklassen ist nicht bzw. nur in der Tendenz möglich, da aufgrund der Vielzahl an Klebstoffen und der damit verbundenen Variationsbreite der spezifischen Eigenschaften teilweise Überschneidungen auftreten können.

In Bezug auf Füllstoffe ist zu konstatieren, dass beim Direktvergleich in einem Grundpolymer die Verschleißwirkung stärker zwischen den verschiedenen Füllstoffen (Calciumcarbonat, Kaolin, Leichtspat, Schwerspat) variiert als zwischen unterschiedlichen Gehalten derselben. Des Weiteren wurde ein deutlicher Einfluss des jeweiligen Grundpolymers auf die Verschleißwirkung füllstoffhaltiger Klebstoffe belegt. Das bedeutet, dass unterschiedliche Klebstoffklassen und auch verschiedene Klebstoffe einer Klebstoffklasse bei gleichem Füllstoff und -gehalt unterschiedlichen Verschleiß verursachen können.

Ebenso wurde die Bedeutung des Klebfugenalters für die verschiedenen Klebstoffsysteme dargestellt, wobei für EPI eine gravierende Verschleißzunahme bei längerer Lagerdauer zu beobachten ist.

Die Klassifizierung bzw. Differenzierung von zwei Hartmetallschneidstoffen sowie von zwei Beschichtungen zeigt die schneidstoffseitigen Verschleißminderungspotenziale auf. Die untersuchten Beschichtungen besitzen keine nachweisbare verschleißmindernde Wirkung in Bezug auf die eingesetzten Klebstoffe, da sie aufgrund der geringen Schichtdicke, der Abrasivität der Klebfugen sowie des starken Anfangsverschleißes im Schnittwegverlauf frühzeitig im Schneidkantenbereich zerstört werden.

Weiterhin wurden die dominierenden Verschleißmechanismen mikroskopisch analysiert und dargestellt. Ebenso erfolgte die Prüfung potenziell geeigneter Klebstoffeigenschaften hinsichtlich ihrer Tauglichkeit zur Entwicklung eines Schnelltests zwecks Abschätzung der Verschleißwirkung. Darüber hinaus konnten Einblicke in die Morphologie von Klebefugen variabler Klebstoff(system)e sowie deren Einfluss auf die spanend bearbeiteten Holzoberflächen generiert werden. In diesem Zusammenhang wurde nachgewiesen, dass die Holzstrukturen eine Filterwirkung auf die Polymerbestandteile der Klebstoffe ausüben können, wobei i.d.R. die Grundpolymere in das Fichtenholz penetrieren, während die Füllstoffe sich vorrangig in der Klebfuge anreichern.


Die durchgeführten Arbeiten liefern wichtige qualitative und quantitative Erkenntnisse zum besseren Verständnis der komplexen Wirkzusammenhänge und Einflussfaktoren des Systems Klebstoff-Holz-Schneidstoff. Dies ermöglicht kleinen und mittelständischen Unternehmen innovative Lösungen zu entwickeln.

Die erzielten Ergebnisse können dazu beitragen, dass Klebstoffhersteller bei zukünftigen Entwicklungen und Modifikationen dem Aspekt der Verschleißwirkung mehr Aufmerksamkeit widmen und diesem durch eine geeignete Auswahl und Dosierung von Füllstoffen Rechnung tragen.

Für Hersteller und Verarbeiter verklebter Lagenwerkstoffe konnten Handlungsempfehlungen bezüglich des Klebfugenalters gegeben werden, welche zu einer Verschleißreduzierung führen können.

Werkzeug- und Schneidstoffhersteller können die Erkenntnisse zum Verschleißverhalten in Abhängigkeit von Kleb-/Füllstoffen und Schnittweg sowie zu den dominierenden Verschleißmechanismen nutzen, um geeignete standzeitverlängernde Lösungen anzubieten.


Der Schlussbericht ist über die Forschungsstelle und über die TIB Hannover erhältlich.



Forschungsvereinigung:

Forschungskuratorium Maschinenbau e. V. (FKM)

Forschungsplattform Holzbearbeitungstechnologie e.V. (FPH)


Projektbegleitender Ausschuss (PbA):

AKE Knebel GmbH & Co. KG

Akzo Nobel Hilden GmbH

Certizit S.A.

Hans Timm Fensterbau GmbH & Co. KG

Holz Schiller GmbH

Holzwerke Bullinger GmbH & Co. KG

Jowat SE

Leitz GmbH & Co. KG

Leuco AG

Süd-Fensterwerk GmbH & Co. KG

Tigra GmbH

Türmerleim GmbH


Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz


Förderrahmen:

Das IGF-Vorhaben wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Förderkennzeichen: 20247 BR

Projektzeitraum: 01.11.2018 - 31.12.2021



 

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Projektleiter


Prof.-Dr.-Ing. Ulrich Schwarz

+49-3334 657-374

Ulrich.Schwarz@hnee.de 


Ansprechpartner


Dipl.-Ing. (FH) Christian Müller

+49-3334 657-386

Christian.Müller@hnee.de