Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
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Ergebnisse des Projekts IÖLF

Status quo der Forschung zur ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft

Die Praxisnähe der Forschung ist den meisten befragten Wissenschaftler*innen ein zentrales Anliegen, das sich aus der freiwilligen Selbstbeschränkung der ÖLW ergibt. Jedoch würden angewandte Forschungsergebnisse im derzeit gültigen Bewertungssystem der Wissenschaft oftmals nicht angemessen honoriert, was auch mit unzureichender Forschungsfinanzierung zusammenhinge. Die Befragung ergab zudem, dass in der FÖLW Forschungsansätze variieren (z.B. multidisziplinäre, interdisziplinäre und transdisziplinäre Ansätze) und in Abhängigkeit der Forschungsthemen gewählt werden. Der Wissenstransfer erfolgt vor allem über landwirtschaftliche Berater – ob Institutionen wie Landwirtschaftskammern, Beratungseinrichtungen und Fachhochschulen dafür geeignet sind, wurde kontrovers diskutiert. Ebenfalls kontrovers gesehen wurde die Trennung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, da die Herausforderungen der Zukunft, wie z. B. der Klimawandel oder die Sicherung der Welternährung, nur in Zusammenarbeit gelöst werden können. Dass insbesondere der Ökolandbau gute Rahmenbedingungen für die Untersuchung von Systemwirkungen schaffen kann, fand jedoch breite Zustimmung.

Was den Methodeneinsatz betrifft, ist nach Einschätzung der Befragten eine Debatte über einen sinnvollen Methodeneinsatz sowie die Weiterentwicklung bestehender Methoden notwendig. Die Laufzeiten der Forschungsprojekte sind in der Regel von den Geldgebern abhängig. Die befragten Wissenschaftler hielten Projektlaufzeiten von drei bis fünf Jahren für zielführend - dies diene einerseits der Belastbarkeit der Ergebnisse und andererseits dem Transfer in die Praxis. Spezielle Themen wie die Pflanzenzüchtung oder systemorientierte Forschungsvorhaben erfordern jedoch längere Untersuchungszeiträume bis zu 25 Jahren. Eine langfristig angelegte Systemforschung sei sinnvoll, da die ökologische Landwirtschaft auf langfristigen und vorbeugenden Wechselwirkungen zwischen Bewirtschaftung und natürlicher Umwelt beruht.

Die Publikationsleistung der befragten Wissenschaftler*innen konnte nicht hinlänglich ermittelt werden, da weniger als die Hälfte der Befragten zu einer Auskunft bereit war. Die Publikationen, über die Auskünfte vorliegen, finden sich sowohl in wissenschaftlich begutachteten Journalen als auch in nicht-begutachteten Zeitschriften.

Was die Forschungsfinanzierung betrifft, wurde knapp die Hälfte der untersuchten Forschungsprojekte zur ÖLW aus Mitteln von Stiftungen und privaten Förderern finanziert. Etwa ein Viertel der Fördermittel wurde über das BÖLN gedeckt, rund ein Zehntel stammte aus Länderprogrammen. In geringerem Ausmaß wurden Forschungsvorhaben über EU-Programme, über die DFG und über Eigenmittel von Forschungseinrichtungen finanziert. Als begrenzende Faktoren für weitere Forschungsaktivitäten sahen die Wissenschaftler*innen die eigene Kapazität, Forschungsanträge zu stellen, Forschung selbst durchzuführen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen zu betreuen. Limitierender Faktor sind damit auch Personen, die über Kompetenzen verfügen, die benötigt werden, um erfolgreich Forschungsanträge zu formulieren.

Die befragten Wissenschaftler*innen waren sich einig, dass die Rahmenbedingungen für die Forschung zur ÖLW durch eine effektive Interessenvertretung der FÖLW verbessert werden könnten, indem sich z.B. verstärkt bei politischen Entscheidungsträgern für die FÖLW eingesetzt werde. Dass die von der Wissenschaft geforderte Unvoreingenommenheit und Ergebnisoffenheit dadurch gefährdet werden könne, wurde dabei vereinzelt kritisch angemerkt.


Innovationskraft der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft

Die Beschreibung der Innovationskraft der FÖLW erfolgt anhand von Fallbeispielen. Die von den Befragten genannten Innovationen, die aus der ÖLW hervorgegangenen sind, wurden in technische und organisatorische bzw. soziale Innovationen unterschieden.

Technische Innovationen umfassen sowohl Produktinnovationen als auch Lösungen, die den Produktionsprozess betreffen. Zum Beispiel wurde hier im Bereich Pflanzenschutz der Einsatz von Kompost im ÖLB genannt. In der Tierhaltung wurde beispielsweise der gezielte Einsatz neuer Fütterungsstrategien thematisiert. Als organisatorische Innovationen werden Neuerungen in betrieblichen Strukturen und Arbeitsabläufen oder im Zusammenwirken von Akteuren entlang der Wertschöpfungskette bezeichnet.

Soziale Innovationen betreffen das Beziehungsgefüge zwischen den Akteuren der Wertschöpfungskette und der Gesellschaft als Ganzes. Da sich die genannten organisatorischen und sozialen Innovationen überschneiden, wurden diese in der Darstellung zusammengefasst. Innovative Meilensteine der letzten Jahre waren hier beispielsweise das Konzept fairer Handel oder auch die Einführung der Biozertifizierung in der Außerhaus-Verpflegung.

Obwohl sich die ÖLW durch eine Vielzahl von Innovationen auszeichnet, könnten Innovationsprozesse effektiver sein. Für die befragten Berater und Wissenschaftler kann eine Innovation erst dann als erfolgreich erachtet werden, wenn die praktische Umsetzung neuer Ideen, Produkte oder Verfahren erfolgte. Nach Einschätzung der Experten fehlt es derzeit nicht an neuen Erkenntnissen aus der Forschung, sondern an einer erfolgreichen Diffusion. Das bedeutendste Adoptionshindernis ist dabei aus Sicht der befragten Expert*innen die Motivation der Landwirte. „Beratungsresistent“ seien viele Betriebe, ein Interesse an Neuerungen bestehe meist nicht. Mangelnde zeitliche oder finanzielle Kapazitäten seien eine häufige Ursache für ein innovationshinderliches Verhalten, aber Generationskonflikte könnten in Familienbetrieben eine wichtige Ursache sein. Somit ist ein tieferes Verständnis psychischer und soziologischer Beweggründe der Adoption und Diffusion derzeit eine größere Herausforderung als die Entwicklung neuer technischer Lösungsansätze. Ein fehlendes Problembewusstsein, beispielsweise im Zusammenhang mit der Komplexität der Probleme in der Tierhaltung, sei ein weiteres Innovationshindernis. Dieser Mangel an Bewusstsein lasse sich womöglich darauf zurückführen, dass komplexe Managementprobleme, einschließlich der Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt, in der Ausbildung der Landwirte zu wenig berücksichtigt werden. Auch marktliche und politische Rahmenbedingungen wurden als entscheidend für den Innovationsprozess wahrgenommen. So können beispielsweise durch eine entsprechende Preisgestaltung Anreize geschaffen werden.


Innovationsbedarfe der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft

Die Ergebnisse legen nahe, dass in der FÖLW eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Wissenspools notwendig ist. Im Themenfeld Pflanzenbau besteht beispielsweise Innovationsbedarf mit Blick auf die Verbesserung und Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, auf die Gestaltung der Fruchtfolgen (insbesondere der Einsatz von Leguminosen), wie auch auf die Optimierung von Naturschutzleistungen im ÖLB. Im Themenfeld Tierhaltung wurde die Tiergesundheit als ein zentraler Bereich mit großem Innovationsbedarf genannt. Da eine mangelnde Tiergesundheit im Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren (z. B. den Haltungsbedingungen und der Ernährung) begründet liegt, sollte die Forschung hier stets systemorientiert ausgerichtet sein.

Zudem wurden in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und Marktforschung wichtige Innovations- und Forschungsbedarfe genannt: z.B. die Erschließung von Marktnischen und der Einsatz von Bioprodukten in der Außer-Haus-Verpflegung.

Als Innovationsbarriere wird die geringe Anzahl der ÖL-Forscher*innen angesehen sowie auch diverse Rahmenbedingungen, darunter die Forschungsfinanzierung: Zur Förderung des Innovationspotentials der FÖLW kommen unterschiedliche Programme der Forschungsfinanzierung in Frage – die Entscheidungsstrukturen sind allerdings dynamisch und nicht auf allen Ebenen transparent. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund von den derzeit üblichen Finanzierungsmodellen (z.B. eingeschränkte Laufzeiten, ausschließliche Finanzierung der Direktkosten) eine systemorientierte Forschung oder Forschung zu spezifischen langfristigen Fragestellungen nur eingeschränkt möglich ist. Ähnlich wird die Situation hinsichtlich eines zielführenden Wissenstransfers und der damit verbundenen Stärkung des Innovationsprozesses eingeschätzt. Die Förderzeiträume seien zu kurz, um nach Vorliegen der Forschungsergebnisse diese noch entsprechend an mögliche Nutzer zu kommunizieren.


Finanzierungsmöglichkeiten und Entscheidungsstrukturen

Der Schwerpunkt wurde auf die projektorientierte Forschungsfinanzierung gelegt, da eine Interessenvertretung der FÖLW mit Blick auf projektorientierte Fördermaßnahmen die größtmögliche Zahl potenzieller Nutzer einschließt.

Förderungen auf Bundesebene werden in der Regel über Projektträgerschaften (z.B. über das BÖLN) abgewickelt, auf Länderebene über die zuständigen Ministerien. Die einzelnen Förderprogramme veröffentlichen in der Regel Programmziele und -struktur sowie Fördermodalitäten (z. B. über Webauftritte). Dort werden auch allgemeingültige Kriterien der Bewertung von Projektanträgen genannt. Beispielhaft stehen dabei für die Definition förderfähiger Projekte folgende Begriffe: „Innovationsgehalt“, „Kompetenz der Lösung“ oder „regionale Bedeutung“. Die Entscheidungsstrukturen zur Bewertung eingereichter Projektanträge sind, wie die Untersuchung ergab, jedoch nicht transparent. Auch private Stiftungen haben in den seltensten Fällen transparente, öffentlich zugängliche Vergabekriterien haben, geförderte Projekte müssen jedoch immer dem in der Satzung festgelegten Stiftungszweck entsprechen. Die tatsächliche Entscheidung liegt größtenteils im Ermessen der Mitglieder der jeweiligen Gremien.